Josie

ET+10 lehnte meine FA es ab, mich weiter in der Praxis zu betreuen und ich sollte zur Einleitung ins KH. Noch während ich im Wartebereich des Kreißsaals saß, war ich unschlüssig, wie ich das handhaben wollte. Der Plan war erstmal, dass ich die stationäre Aufnahme umgehe, wenn möglich, aber ich wusste auch, dass ich in der Vergangenheit oft eingeknickt bin, wenn der Arzt mir gegenüber sehr selbstbestimmt auftrat. Mein Mann hatte die Aufgabe mich dann aus der Situation zu nehmen, damit ich keine übereilte Entscheidung traff, die ich später bereuen würde. Ich hatte mich mit der VRANNI Methode auf die Kommunikation im KH vorbereitet. 

Es war ein geschäftiger Morgen, vor mir waren noch einige weitere Schwangere zur Untersuchung dran. Seit dem Abend zuvor hatte ich unregelmäßige Kontraktionen, aber nichts, was mehr auf Geburt hindeutete, als die vergangenen zwei Wochen. Trotz der Anspannung wegen der drohenden Einleitung, war ich in freudiger Erwartung ob der Dinge, die vor mir lagen und fühlte mich in diesen Räumen sehr wohl. Schon bei der Kreissaalführung und während des Geburtsvorbereitungskurses hier hatte ich mir vorgestellt, wie ich in einem diesen Räumen mein Kind gebären würde. Die Umgebung war total positiv für mich behaftet.

Es klingelte an der Tür und eine Frau wurde in einem Rollstuhl bereits unter heftigen Wehen von einer Schwester herein geschoben. Es wurden wenige Worte am Empfang gewechselt, man hätte die Dame wohl im Fahrstuhl aufgegabelt, ihre Begleitung sollte runter zur Rezeption, um sie anzumelden, Kreißsaal eins wurde schleunigst geöffnet. Ich lauschte der Gebärenden und bei jeder Wehe, die sie vertönte wuchs meine Vorfreude und ich wurde ganz euphorisch. Vor lauter Emotionen bekam ich Gänsehaut und drückte die Hand meines Mannes. Kurz darauf, es konnten nur wenige Minuten vergangenen sein, rannte eine junge Ärztin in den Raum, und der zarte Schrei eines Neugeborenen ertönte, noch bevor sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte.

Mit Tränen in den Augen drehte ich mich zu meinem Mann um „Das will ich auch!“

Die Ärztin verließ alsbald den Kreissaal wieder, holte sich eine Akte von Empfang und rief mich ins Untersuchungszimmer. Noch bevor ich etwas sagen konnte las sie meine Akte laut vor, unter anderem auch, dass vor einer Woche mein Sohn auf 3500g geschätzt wurde, eine Information, die ich bewusst nicht haben wollte. Ich fürchtete, dass bei einem Schätzgewicht von über 4000g von Einleitung oder sogar von Kaiserschnitt gesprochen würde und dass die Badewanne dann für mich keine Option mehr wäre. In der letzten Woche hatte die Ärztin trotz meiner Bitte nicht zu messen, dies getan und es dann auch noch vermerkt. Eine Tatsache die mich etwas ärgerte, aber gleichzeitig erleichterte mich das Schätzgewicht. Weitere Messungen untersagte ich dennoch sehr deutlich. 

Die Ärztin war noch voller Adrenalin und war so sehr empfänglich für meine Wünsche. Sie legte mir auf Grund des Gestationsalters die Einleitung Nahe, ich fragte nach den vorhandenen Mitteln, doch außer pharmazeutischen Mitteln kamen von ihr keine Vorschläge und bei diesen war ich mir sicher, dass ich sie außer im Falle von Gefahr nicht nehmen wollte. Bis ET+14 wollte ich mir auf jedenfall noch Zeit geben, bevor ich zu so drastischen Maßnahmen griff. 

Sie untersuchte mich und die Werte waren alle in Ordnung, Muttermund bereits drei cm, es war schon so viel passiert. Die vielen Übungswellen hatten also schon einiges gebracht. Ich verwies nochmal auf den geänderten ET (aufgrund meines sehr kurzen Zykluses stimmte die Befruchtung nicht mit der regulären Rechnung überein und der ET wurde fünf Tage vorverlegt. Das stimmte schon soweit, die Größe des Kindes im ersten Trimester hatte zum neuen ET gepasst), um mir etwas Puffer zu verschaffen. Sie hatte keine weiteren Einwände, holte aber noch die Oberärztin, damit diese nochmal mit mir sprach. Dies könne noch einige Minuten dauern, erstmal sollte ein CTG geschrieben werden.

Die Oberärztin kam Recht gehetzt und wenig empathisch herein. Ihren O-Ton bekomme ich nicht mehr hin, aber sie sagte in etwa: „Sie verweigern also die Einleitung? Sie wissen, dass die Schädelplatten des Kindes  verwachsen und sie so eine schwierige Geburt haben werden, wenn das Kind nicht bald kommt?“ Ich war sehr irritiert ob dieser Aussage. Mir war klar, dass das nicht stimmte und so nickte ich und tat es ab als weiteren Versuch, mich zum einlenken zu bewegen. Wir einigten uns darauf, dass ich jeden Tag zur Kontrolle käme bis ET+14 und wir dann einleiten. Ich hatte mir gerade vier Tage erkauft! Voller Euphorie nahm ich die Welle an, die gerade auf dem CTG sichtbar wurde. 

Die Oberärztin rauschte von dannen und die grinsende Hebammenschülerin gratulierte mir, dass ich standhaft geblieben war. Sie fragte, woher ich das Selbstvertrauen nahm mich einer Ärztin so zu verweigern, bestätigte die Falschheit der Aussage und war verwundert, als ich ihr erzählte, dass ich ’nur‘ eine Nachsorge Hebamme hatte. 

Mit einem guten Gefühl wollte ich die Klinik verlassen, als mir einfiel, dass die Hebamme aus dem Geburtsvorbereitungskurs, die auch in dieser Klinik arbeitete, auch Akupunktur anbot. Ich fragte am Empfang, wann Svea Dienst hätte, damit sie die Nadeln setzen könnte. Hebamme Steffi bot an, dass sie mir diese gleich setzen könnte. Ich nahm erfreut an und kaum saß die letzte Nadel im kleinen Zeh rollte die erste der regelmäßigen Wellen an. 

Wir fuhren zu meinen Schwiegereltern, die unsere ältere Tochter betreuten in den letzten Tagen meiner Schwangerschaft, um mit ihr noch spazieren zu gehen. Ich hatte das Bedürfnis mit ihr Zeit zu verbringen. Ich ahnte, dass es das letzte Mal sein würde, dass wir so zu dritt waren. Während dessen mussten wir bereits mehrmals halten, damit ich die Wellen aktiv annehmen konnte.

Gegen 18 Uhr hatte ich es eilig nach Hause zu kommen. Ich verabschiedete mich von meiner Tochter und meinen Schwiegereltern und wir fuhren heim. Zuhause hörte ich die Geburtsfördernde Hypnose, doch es fühlte sich noch nicht richtig an. Ein Blick auf die Uhr zeigte, dass es Zeit für das Abendessen war. Ich bat meinen Mann uns etwas zu zaubern. Großen Hunger hatte ich nicht, aber ich wusste ja auch nicht, wie lange die Nacht werden würde und dass Christian gut versorgt war, war wichtig für mich, damit er mich gut versorgen konnte. Während des Essens veratmete ich einige Wellen und freute mich darauf gleich in die Hypnose zu gehen. Für die Abstände war Christian zuständig, zu dem Zeitpunkt waren es etwa zehn Minuten. 

Die geburtsfördernde Hypnose lief noch zweimal, um mich einzustimmen, erst dann machte ich die lange Geburtshypnose an. Ich richtete mir das Wohnzimmer ein, wie ich es brauchte, saß auf einem niedrigen Hocker, lehnte auf dem Pezziball. Je weiter der Abend Fortschritt, desto mehr stand ich während einer Welle auf. Die Abstände pendelten sich irgendwo bei sechs, sieben Minuten ein, wenn ich aufstand und zur Toilette ging, kamen sie auch Mal alle drei, vier Minuten. Die Intensität der Wellen stieg gegen zehn Uhr abends an, ich atmete tief in den Bauch, schob mein Kind so tiefer, visualisierte wie der Kopf gegen den Muttermund drückte, aber ich tönte auch.

Ich war allgemein ganz ruhig (innerlich, nicht äußerlich), in mich gekehrt, nahm jede Welle dankend an. Ich kann auch nicht mehr sagen, dass ich noch euphorisch war, ich nahm die Situation einfach wie sie war. Ich arbeitete konzentriert mit meinem Körper. Die passenden Worte für diese Gefühle fehlen mir, weil ich so gar nicht im Bewusstsein war, ich war einfach bei mir und meinem Kind. 

Etwa Mitternacht bat ich meinen Mann, der bis hierher noch neben mir Computer gespielt hatte, mir aber alle Wünsche erfüllt hatte und mir regelmäßig Wasser anbot und während der Wellen den unteren Rücken massierte, im KH anzurufen. Er rief im Kreißsaal an, fragte nach dem Raum mit Wanne und einem Familienzimmer. Er versuchte mich vor der Antwort abzuschirmen, aber tatsächlich war ich sehr wohl in der Lage die Informationen aufzunehmen, zu verwerten und danach wieder in Hypnose abzutauchen. Alle Kreißsaale waren voll, Familienzimmer alle in 4 Bett Zimmer umgewandelt. Vollmond.

Das hätte mich frustrieren sollen, aber ich konnte es ja nunmal nicht ändern. Ich erinnerte mich an die Worte meiner Kursleiterin: ‚der äußere Raum ist nicht wichtig‘ Wir sollten erstmal kommen.

Also machten wir uns auf den Weg. Wir brauchten alles in allem bis halb eins/eins bis wir im KH ankamen. In dieser Zeit blieb die Intensität der Wellen gleich, aber sie kamen nun immer schneller, etwa alle 4 Minuten.

Wir konnten den Storchenparkplatz beanspruchen, der wirkte sehr weit weg vom Eingang. Beim Laufen waren die Wellenabstände sehr kurz und ich wurde immer lauter. Der Pförtner am Eingang bot mir einen Rollstuhl an, den ich verweigerte und einfach weiterstapfte. Auf meinem Weg zum Fahrstuhl wurde ich während einer Welle so laut, dass uns die halbe Notaufnahme entgegenkam. Sie fragten, ob sie uns helfen könnten, boten einen Rollstuhl an, ein Pfleger schrie über die Schulter „Ich habe den Notfall gefunden! Ist nur eine Schwangere“ Daraufhin legte sich der Tumult um mich wieder und man holte uns den Fahrstuhl mit Vorrangschaltung, hieß der Fahrstuhl machte auf seinem Weg direkt in den Kreissaal keine weiteren Stopps.

Am Empfang saß Svea, die Hebamme aus meinem Geburtsvorbereitungskurs. Mein Mann überreichte ihr das vorbereitete Glas mit den Energiekugeln.

Ich war froh sie zu sehen, sie kannte meine Wünsche in etwa. Und das Glück ging weiter, der Kreißsaal mit Wanne war gerade frei geworden. Svea bat, mich untersuchen zu dürfen, wir nutzten eine Wellenpause. 7cm. Ich verlangte, dass die Wanne eingelassen wird und willigte ein, dass in der Wartezeit ein CTG geschrieben wird. Als der Arzt in den Kreißsaal kam übernahm Svea die Kommunikation mit ihm und holte sich von mir nur eine kurze Bestätigung ab, dass ich keinen Zugang akzeptieren würde.

Die Wanne war ein Segen, die Wärme linderte die Schmerzen im Rücken. Etwa zu diesem Zeitpunkt rutschte ich wohl in die Übergangsphase, mein Körper entleerte sich, ich musste brechen. Die Wärme der Wanne hatte wohl ihr übrigens dazu getan. Kurz bereute ich die Nudeln zum Abendessen, aber ich war froh nur stilles Wasser seit dem getrunken zu haben. „Es dauert nicht mehr lang“ verkündete ich der Hebamme.

Meine Kopfhörer flogen kurze Zeit später und mein Mann stellte die Lautsprecher auf. Ich konnte mich nicht mehr auf die Meditation während der Wellen konzentrieren. Aber ich nutzte die Wellenpausen zur tiefen Entspannung. Hier war für mich der wahre Vorteil der Meditationen. Die Stimme, die mich daran erinnerte meine Arme zu entspannen, meinen Kiefer zu entspannen, los zu lassen.

Svea fragte nicht nach einem weiteren CTG, sie nahm es direkt als gegeben hin, dass ich keines mehr wünschte, versicherte sich dessen aber nochmal. Stattdessen hielt sie den Knopf nur sporadisch an meinen Bauch, um die Herztöne zu kontrollieren. Durchgängig bei 120-140, auch während der Wellen.

Ich war zwischenzeitlich so entspannt, dass ich sogar kurz mal eingeschlafen bin, mehrmals. In den Wellenpausen lehnte ich mich auf dem Rücken an die Wannenwand an. Während der Wellen zog ich mich am Haltegriff nach vorne in eine seitlich sitzende Position.

Ich spürte meinen Körper wahnsinnig intensiv, ich spürte, wie mein Baby sich in mir ins Becken drehte, wie er sich immer tiefer schob, wie er mein Steißbein beiseite schob. Ich schrie meinen Mann an, dass er gegendrücken muss, ich zweifelte tatsächlich kurz daran, ob mein Kind nicht durch den Rücken durch kommen würde. Die Wellen verlangten mir alles ab, ich fluchte, war laut und ausfallend, so, wie ich es mir so gar nicht vorgestellt hatte. Svea untersuchte mich nochmals und gab mir das go mitschieben zu dürfen, wenn ich das wollte. Die manuelle Öffnung der Fruchtblase lehnte ich ab und so dauerte es noch einige Zeit. Ich schöpfte Kraft in den Pausen.

Die Presswehen überraschten mich. Sie fühlten sich anders an und ich bekam kurz Panik. Ich erinnerte mich an den Kopfaustritt meiner Tochter damals, verlor die Kontrolle über meinen Atem. Mein Mann erfasste die Situation sofort, atmete mir einen vor, gab mir meine Fassung zurück. Svea und er ermunterten mich, meinem Körper und meinem Baby zu vertrauen. Ich sprach also mit ihm, immerhin machten wir diese Reise zusammen. 

Der Drang nach unten zu schieben überkam mich und ich zitterte innerlich, ich atmete stoßweise, damit er nicht ganz so schnell nach unten drängte. Dieses Gefühl mit ihm zusammen zu arbeiten, und dieses Gefühl der vollständigen Hingabe an meinen Körper… Mich einfach von meiner Intuition leiten zu lassen… Das war unbeschreiblich. Svea ließ mich machen. Sie ermutigte mich, aber sie gab mir nichts vor. Die Fruchtblase wölbte sich nach außen, sprang und die Flüssigkeit ergoss sich in das warme Wannenwasser.

Ich fühlte nach unten, spürte den Kopf meines Babys durch treten und wieder zurück gleiten. Wir brauchten einige Anläufe, dann war der Kopf endlich geboren. Da war reichlich Bewegung in mir, als er sich weiter drehte. Bei der nächsten Welle presste ich mit, noch drei Mal schieben, dann rutschte auch der Körper mit raus. Ich griff nach unten und holte meinen Sohn aus dem Wasser, legte ihn mir auf die Brust. Wir waren geboren. Ich war geheilt. 11.01.2020, 4:06 Uhr, Dominik, 4420g, 54cm, 36cm KU.

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