Isabel und ich haben uns in einem Chat kennengelernt, indem sie berichtete, dass ihr erste Geburt eine sekundäre Sectio war, das zweite Kind nun wieder sehr groß geschätzt wurde und sie deswegen mit einem Ballonkatheter eingeleitet werden sollte. Ich spürte ihre Angst in den Worten und gab ihr einige Hinweise dazu, warum die Größe keine Rolle spielte, die Einleitung also deswegen alleine nicht notwendig wäre und wie es sich mit der Wahrscheinlichkeit einer Uterusruptur bei Z.n. Sekundärer Sectio verhält. Daraufhin kamen wir ins Gespräch und ich merkte, dass ihre erste Geburt sie noch immer fest im Griff hatte.
Wir verabredeten uns zu einem ZoomMeeting, um die erste Geburt analysieren zu können und damit ich ihr Tips für die bevorstehende Geburt geben konnte.
Zwischenzeitlich empfahl ich ihr eine Facebook Gruppe für werdende Mamas, die einen VBAC (Vaginal Birth after Cesarean Sectio) planen und gab ihr ein paar Statistiken an die Hand.
Bei unserem Gespräch erzählte sie mir, dass ihre Tochter damals nicht ins Becken rutschen konnte, sie dem Drang mit zu schieben nicht nachgeben durfte und ihr dann der Kaiserschnitt nahegelegt wurde. Wir besprachen ausführlich, was alles zu dieser Situation geführt haben konnte und wie sie diese Punkte diesmal bereits präventiv bearbeiten kann. Vor Allem sprachen wir darüber, dass die kommende Geburt nicht die vorangegangene Geburt ist und jede Geburt anders verläuft. Ich gab ihr Wissen mit, wie sie sich diesmal mental und körperlich anders vorbereiten konnte und wie sie vorgehen kann, wenn diese oder jene Angst sie während der Geburt einholt, welche Übungen ihr helfen könnten.
Wir blieben ständig in Kontakt, sie hielt mich auf dem Laufenden.
Einen Tag vor dem ET verspürte Isabel unregelmäßige Wellen. Es war ein sonniger Tag und sie verbrachte ihn im Kreise ihrer Familien, waren den ganzen Tag unterwegs, spazieren. Gleich zwei förderliche Dinge, die sie hier ganz intuitiv gemacht hat. Bewegung durch den Spaziergang, der ihr Kind ganz sanft in ihr Becken hinein geschaukelt hat und Ausschüttung des Hormons Oxytocin, das sogenannte Liebeshormon, durch ihre Familie. Ein gelungener Start in die Geburt.
Am Ende des Tages blieben die Kontraktionen unregelmäßig, jedoch tüchtig, so verspürte Isabel den Wunsch das in der Klinik kontrollieren zu lassen.
Der Muttermund fing an sich zu öffnen, 1cm, der Gebärmutterhals war noch ein wenig vorhanden, aber das Köpfchen noch nicht richtig im Becken. Ihr sank der Mut, war doch bei ihrer Tochter vor über drei Jahren das der Grund für den Kaiserschnitt.
Sie rief mich an, eigentlich sicher, dass die Geburt im Gang war, aber sie brauchte diese Bestätigung. Und sie musste noch einmal hören, dass diese Geburt nicht die Geburt ihrer Tochter war. Während unseres kurzen Telefonats hatte sie drei kleinere Wellen, die ersten beiden versuchte sie zu unterdrücken, wollte sie doch mit mir sprechen. Ich redete ihr gut zu, ermutigte sie die Wellen anzunehmen, willkommen zu heißen. Die dritte Welle rollte an, sie setzte an zu sprechen, hörte mir dann aber zu und ergab sich ihrem Körper. Ich hörte sie sanft atmen, nicht mehr das gepresste verkrampfen der vorherigen zwei Wellen. Sie war angekommen in ihrem Körper. Und konnte nun gelöster auf das bevorstehende Ereignis blicken. Es gab keinen Zweifel mehr, ihr Sohn hatte sich auf den Weg gemacht.
Das war etwa gegen halb zehn Uhr abends. Die Wellen wurden nun stetig regelmäßiger und Isabel brauchte mehr Konzentration, um sich Ihnen zu widmen. Kurz nach zehn war es, als ihr Körper den Drang verspürte sich zu entleeren. Der Brechreiz kam nicht überraschend, es war kein sehr unangenehmes Gefühl.
Wieder war Isabel an die Geburt ihrer Tochter erinnert und wusste, sie war jetzt bei ungefähr 5 cm. Sie und ihr Mann Christian machten sich auf den Weg in die Klinik.
Zu diesem Zeitpunkt waren alle Kreißsäle belegt und sie wurden in ein Wehenzimmer geführt, welches fast vollständig von dem Kreißbett ausgefüllt wurde. Ein kabelloses CTG gab es hier nicht und so war das Eingangs-CTG für Isabel eine wahre Probe. Sie bekam ein Spasmolytika (Ein Krampflösendes Mittel), welches allerdings keine Wirkung zeigte.
Die Hebamme wies sie an liegen zu bleiben, damit sie die Herztöne des Kindes im Blick haben konnte. Während der Wellenpausen war das auch kein Problem, doch sobald die Welle anrollte sprang Isabel wieder aus dem Bett und trampelte und strampelte die Welle hindurch. Sie schüttelte ihren Körper regelrecht aus, schüttelte ihr Kind in ihr Becken. Das tat sie ganz intuitiv, aber die Hebamme, die aus Italien kam, blickte sie dabei leicht verwirrt und vielleicht auch ein wenig genervt an, sollte sie sich doch endlich hinlegen und das CTG eine vernünftige halbe Stunde aufzeichnen lassen.
Die Hebamme blieb in dieser Zeit bei ihr, machte einen Corona Abstrich und verabreichte ihr einen Antibiose Tropf, da Isabel positiv auf B-Streptokokken getestet worden war. Dank dieses Umstands, und das der Hebamme in Italien für ihr Examen noch genau so ein Fall fehlte, durfte sie eine 1:1 Betreuung erleben.
Isabel entschied sich für ein Entspannungsbad, welches auch im Wehenzimmer möglich war. Die Wellen waren sehr intensiv, aber sie konnte so die Wellenpausen effektiver nutzen. Die kleine Wanne beengte sie jedoch zu sehr, daher verließ sie sie alsbald wieder.
Isabel war ganz bei sich, wusste zu jedem Zeitpunkt wo sie stand und das es ihrem Kind gut ging. Die Art, wie sich die Wellen an fühlten, war anders als bei ihrer Tochter. Damals hatte sie mehr Druck im Oberbauch gespürt, diesmal zogen ihr die Wellen mehr in die Leistengegend und in den Rücken. Das machte ihr Mut und zeigte ihr einen Unterschied. Jede Geburt ist einzigartig.
Während der Wellen turnte Isabel regelrecht, sie ging in die tiefe Hocke, hielt sich dabei an ihrem Mann fest.
Sie dachte daran, was ich ihr über die volle Blase während der Geburt sagte und entspannte ganz bewusst den Beckenboden während der Wellen, überall hinterließ sie während der Wellen kleine Urinlachen, die ihr Mann schnellstmöglich weg wischte. So behielt sie ihre Blase leer und gab ihrem Kind die bestmögliche Chance ins Becken zu rutschen.
Die Fruchtblase sprang und wieder wollte die Hebamme sie zum liegen auf dem Bett bewegen “Isabel, du musst jetzt liegen, wir müssen gucken, dass es deinem Baby gut geht!” rief sie etwas genervt. Genau zwei Wellen hielt Isabel das aus. Alles tat ihr so weh, die Wehen wurden unerträglich und sie verlangte eine PDA, einen Kaiserschnitt, egal was. Sie erklärte der Hebamme, dass ihre Kaiserschnittnarbe weh täte, aber die Hebamme wischte diese Bemerkung unbeantwortet hinfort. Für eine PDA oder eine Narkose war kein Anästhesist zeitnah greifbar.
Isabel hatte das Bedürfnis mit zu schieben, die Hebamme untersuchte sie, 7 cm. Sie untersagte ihr mit zu schieben, der Kopf noch immer nicht im Becken, der Muttermund noch nicht offen. Die Hebamme schrie förmlich “Isabel, nicht pressen!” Aber Isabels Körper dachte gar nicht daran auf die Hebamme zu hören, oder Isabel, die sofort aus ihrer Konzentration in ihren Kopf gerissen wurde, die Führung zu überlassen. Ihre Gebärmutter kontrahierte und in einer kräftigen Welle schob ihr Körper ihr Kind um mehrere Stockwerke tiefer. Erschrocken erstarrte Isabel, Panik kam in ihr auf. Bei ihrer Tochter war es genauso gewesen, auch da hatte sie nicht pressen dürfen. Doch nun hatte ihr Körper die Kontrolle übernommen und ihr Verstand hatte keine Entscheidungsgewalt. War sie nun kaputt? Die Hebamme kontrollierte abermals. Der Kopf saß tief im Becken, der Muttermund ganz und 10 cm geöffnet, stellte sie mit erstaunen fest. “Nun darfst du mit schieben!” Isabel war irritiert, doch ihr Körper ließ ihr nicht viel Zeit darüber nachzudenken. Sie nahm die Situation an, wie sie war. Erst begab sie sich in den Vierfüssler, doch der Druck nach unten war zu stark, es war kein angenehmes Gefühl, dann in der Seitenlage – viel besser. Das mit schieben war ihr so sehr angenehm. Das Ende in Sicht und voller Vorfreude darauf ihr Baby nun bald in den Armen zu halten atmete Isabel zu ihrem Kind, schob es dieser Welt entgegen und es brauchte nur wenige dieser Wellen, bis er gegen halb zwei geboren war. Junis Bela, 4150 g, 53 cm, 37 cm KU – herzlich Willkommen kleines Menschenkind, intuitiv geboren von deiner starken Mama Isabel, die stolz wie Bolle ist auf dieses großartige Ereignis, dass sie mit dir zusammen erleben durfte.